Technische Artikel
Stereoaufnahmeverfahren

Wie im Artikel Mikrofontechnik beschrieben wurde, existiert bei jeder Stereoaufnahme zumindest ein Hauptsystem, das meist aus zwei einzelen Mikrofonen besteht. Je nach Mikrofontyp und Kapselabstand werden in den beiden Kanälen L+R (rot / blau) ganz unterschiedliche Pegel- und Laufzeitdifferenzen erzeugt:  Zwei Musiker, die an unterschiedlichen Stellen im Raum stehen, kommen in den beiden Mikros verschieden schnell, laut und deutlich an, jenachdem, wie sie "abstrahlen" und die Mikrofone ausgerichtet sind. Die Lautstärkedifferenz und zeitliche Verschiebung der Signale im Lautsprecher verteilt dann die einzelnen Frequenzanteile der Musiker im letzlich gehörten Stereobild.

Kombinierter Aufbau

mikrophone tree with MBHO Im linken Bild erkennt man einen Mikrofonbaum, der die drei bekanntesten Techniken AB, XY und ORTF vereint darstellt. Die Mikrofonsysteme sind dabei so eingestellt, daß sie in etwas dieselbe Stereobreite erzeugen.

Die roten Kabel sind jeweils am (bezogen auf den Klangkörper) nach rechts wirksamen Mikrofon angeschlossen.

AB-System

Mikrofonbaum AKG, Haun, MBHO

Die beiden Mikros ganz aussen sind Kugelmikrofone. Siehe stehen parallel und erzeugen im wesentlichen nur Laufzeitdifferenzen.  Die empfangenen Pegel der aufgenommenen Signale sind bis auf die von sehr nahen Quellen weitestgehend gleich. Signale von links (aus Betrachtersicht) sind im roten (rechten) Mikro also minimal lauter- sie kommen jedoch deutlich früher an. Bei Abspielen kommen diese Signale aus dem rechten Lautsprecher ebenso früher und wirken daher als von rechts kommend. Der effektive Aufnahmebereich wird durch den Abstand festgelegt. Typische Werte sind 17cm bis 40cm für Stereosysteme.

Im Vergleich zu den anderen Systemen ist der Mikrofonabstand hier am größten, da ja nur Laufzeit den Stereoeffekt darstellt.

XY-System

XY-System aus AKG 391

Die gekreuzten Mikros oben sind Nierenmikrofone. Die Kapseln befinden sich am selben Ort und stehen so zeitlich in einer Ebene, wodurch keine KAmmfiltereffekte entstehen, wenn man beide Signale zu einem Mono zusammenmischt.  Das Mikrofonsystem unterscheidet damit zetilich nur nahe und ferne Quellen. Rechts und links wird nur über die Lautstärke unterschieden: Da die Nieren sehr richtungsempfindlich sind, klingen Signale von der linken Seite des Klangkörpers im roten Mikro lauter. Der effektive Aufnahmebereich wird durch die Winkel der Mikrofone festgelegt. Typische Werte sind 90' - 120°.

Die Mikrofone müssen recht exakt bis auf einge Millimeter ausgerichtet sein, sodas die nicht sichtbaren Membranen tatsächlich in einer Zeitebene liegen. Ausserdem sollten die bei Nierenmikros bedeutsamen Schallöffnungen nicht gegenseitig verdeckt sein.

ORTF-System

Mikrofon ORTF-System

Die Mikros (Nieren) benutzen beide Techniken (Laufzeit+Pegel) gleichzeitig: Signale von links (Betrachtersicht) sind im roten Mikro früher, lauter und heller!  Der effektive Aufnahmebereich wird sowohl durch die Winkel als auch den Abstand der Mikros festgelegt. Die "historischen" Werte für das echte ORTF sind 17cm und 110° - jedoch werden auch andere Kombinationen wie das EBS (90° bei 25cm) benutzt.

Hinweis: Die hier scheinbar unkorrekte Montage des einen Mikros über dem anderen in beiden Bildern ist geometriebedingt. Der Versatz ist auf die Distanz jedoch tontechnisch und akustisch vollkommen bedeutungslos. Wichtig ist eher die Korrektheit der Achswinkel.

MS-System

MS-Mikrofon Zur Verwendung kommt ein Mittenmikrofon (Niere oder Kugel), das auf die Mitte des Klangkörpers gerichtet ist und als Mono wirkt sowie ein Achtermikrofon, das Signale von der Seiten aufnimmt.  Die Wirkung der Seitensignale auf dieses Mikro ist dabei gegenläufig. Um zu einem L-R-Signal zu gelangen, wird das MS-Ssignal über eine dekodierende Matrix geschickt, welche den S-Anteil mehr oder weniger stark zu dem M hinzuaddiert (-> L) bzw. subtrahiert (-> R).  Auch hier müssen beide Mikrokapseln exakt übereinanderstehen. Die Stereobreite wird über den Zumischpegel des S-Anteils eingestellt. Das MS ist wie das XY voll monokompatibel. Insgesamt ist sie jedoch deutlich flexibler, da die Seitenwirkung durch den Pegel eingestellt - und zudem die Mittenkapsel verschieden gewählt werden kann.

Bei vielen MD-Mikrofonen wird dieses Mikrofonsystem genutzt, da es sich gut in einen Korpus integrieren lässt. Leider sind die Kapseln hier nicht frei wählbar und i.d.R. gibt es auch nur zwei Mischverhältnisse = Stereobreiten

DECCA-System

DECCA-Tree Wildflecken Hier werden 3 von einander unabhängige Kugelmikrofone in ein Dreieck direkt vor bzw. in den Klangkörper gestellt: Jeweils eines für L+R sowie ein zentrales Mikrofon weiter vorne, das auf beide Kanäle wirkt.  Der Abstand der Mikrofone zueinander variiert zwischen 1m und 2m.  Dieses System bildet keinen sonderlich homogenen Verlauf - hat jedoch einen sehr interessanten Klang und kommt z.B. häufig bei sehr goßen Klangkörpern wie Orchestern zur Anwendung.

Unterstützt wird es durch Flankenmikrofone, diverse Stützmikrofone im Orchester sowie gfs einem weiteren AB-Stereosystem.

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J.S. April 2000
Stand Mai 2005

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