Ein
alteingesessener Toningenieur, der infolge chronischer
Unterbeschäftigung und mangelndem Interesse an dem Aufnahmeberuf
inzwischen zum medizinischen Heilpraktiker umgeschult wurde, hat
eine eigene Praxis aufgemacht und heute seinen ersten Patienten.
Dieser Artikel schildert den Ablauf der Begegnung:
Der Patient kommt
die Praxis, betritt den Raum mit dem Schild "Achtung
Aufnahme" und klagt:
Patient: "Herr
Ingenieur, ich habe seit Kurzem so ein unangenehmes Kratzen im
Hals und kann kaum sprechen, was könnte das Ihrer Meinung nach
denn sein ?"
Heilpraktiker:
"Soso, Ihre Stimme zerrt also, dann sind Sie
möglicherweise Senn-heiser. Arbeiten Sie zufällig auf
einer Alm? - Oder halten sie sich oft in der Nähe von feuchten
Wiesen auf ?"
Patient: "Sie
meinen wegen Unterkühlung? Nun ja, kürzlich schon- aber so
richtig kalt war es dort eigentlich nicht"
Heiler: "Nun,
wenn es der Wieseneffekt nicht ist, dann schauen wir mal ..."
Der Heiler
bestimmt mit einem elektronischen Klirrfaktormessgerät das
Ausmaß der Stimmverzerrung beim Patienten und erhält einen Wert
von 30%.
Heiler: "Ihr
Klirrfaktor ist ungewöhnlich erhöht! Eine simple
Erkältung scheidet da als Ursache wohl aus. Ich denke, Sie haben
ihre Stimme beim täglichen Gebrauch wohl etwas zu häufig
übersteuert. Zuviele dBx sind dem Klang eher abträglich.
Ich werde mir mal die Bändchen etwas näher ansehen."
Der Heiler schaut
dem Patienten in den Mund und bemerkt: "Das Gefellt
mir aber gar nicht. Ihr Schwanenhals sieht schon mal etwas
gerötet aus, und die Bändchen scheinen auch nicht optimal
konditioniert."
Patient: "Was
heißt das, Können Sie etwas Genaues erkennen ?"
Heiler: "Ihre
beiden Membranen wirken ein wenig schlapp, sie sollten sie
mal mit einem Inhalationsgerät dünn bedampfen, um die
Schwingeigenschaften zu verbessern. Vorsichtshalber lege ich Ihnen
mal diese Multibandkompresse an"
Patient: "Hm,
ok- kann ich sonst noch etwas tun ?"
Heiler: "Nun,
Sie könnten beim Sprechen versuchen, ihre Lippen derart zu
formen, dass eine keulenförmige, stärker gerichtete
Ausbreitung des Schalls erzielt wird. Das wirkt lauter und
verschwendet weniger Energie ins Diffusfeld."
Patient: "In
Ordnung, werde ich versuchen. Was mich aber in jüngster Zeit auch
irritiert: Mir wird oft schwindelig, hängt das eventuell damit
zusammen ?"
Heiler: "Das
glaube ich weniger, aber wir sollten in diesem Fall
sicherheitshalber mal ein AKG machen"
Der Heilingenieur
klebt einige Kondensatorkapseln im Brustbereich des Patienten auf,
schließt diese an sein Studerherzgerät an, pegelt ein wenig hin
und her und sagt: "Ich kann keine nennenswerten
Phasenverschiebungen zwischen den Signalen feststellen, bitte mal
auf den Bauch legen."
Der Patient dreht
sich um und der Heiler stellt zwei Kleinultraschallempfänger in ORTF-Stellung
über ihn, wobei er verkündet: "Ich werde nun mal kurz
auf ihr Becken drauf Haun". Kaum
gesagt, wuchtet er schnell einen kleinen Hammer auf den Patienten
und erzeugt so einen Diracstoß, dessen Impulsantwort er
aufzeichnet.
Heiler: "Ihr
Becken klingt ganz ok und auch die Nieren strahlen
gebündelt. Sie sind offenbar ganz gesund, wo tut's denn sonst
noch weh ?"
Patient "Es
tut mir manchmal in der oberen Brust weh, dort in der Mitte"
Der Heiler
schließt zwei Kabel an je ein Handgelenk des Patienten an,
verbindet diese mit einem XY-Schreiber und gibt 48V
drauf.
Patient: "Ja,
genau so fühlt sich das immer an"
Heiler: "Hm,
das ist natürlich unangenehm. Mal sehen, was wir da tun können.
Eine Möglichkeit wäre, einen stärkeren Schmerz mit mehr
Raumanteil zuzugeben, dann können Sie den Brustschmerz nicht mehr
so exakt lokalisieren."
Der Heiler nimmt
die Kabel ab, schließt sie an die Knöchel an und beachtet wieder
sein Levelmeter.
Patient : "Ahhhh,
nun tut es genau zwischen den Beinen in Höhe der Knie weh, obwohl
da ja gar nichts ist !!! - Wie kann das nun wieder sein ???"
Heiler: "Nun,
das ist ein sogenannter Phantomschmerz, der steht genau in der
Mitte. Da dort keine Körperteile mehr sind, schadet der
nicht. Wenn es nicht besser wird, könnte ich auch noch eine
30ms-Verzögerung draufgeben, und den Schmerz so weiter nach
hinten rücken, dann ist der ganz diffus."
Patient: "Na,
ich weis nicht so recht, ... was ist denn nun mit meiner
Stimme?"
Heiler: "Sie
dürfen beim Sprechen nicht so hoch pegeln. Achten Sie darauf,
möglichst nahe an ihren Gesprächspartner heranzugehen, dass gibt
automatisch etwas mehr Druck im Bassbereich. Zudem nehmen Sie
bitte täglich eine dieser Pillen. Der Heiler stellt ein Rezept
auf mit Pillen der Firma Behringer-Ingelheim."
Patient: "Vielen
Dank, Sie haben mir sehr geholfen"
Der Patient steht
auf und der Heiler ruft ihm nach: "... und benutzen sie
beim Sprechen häufiger mal die großen Buchstaben A und B,
das wirkt dann räumlicher."
Patient: "Ja,
ja, danke, ich muss jetzt gehen"
Heiler: "Kann
ich nicht sonst noch irgendwie helfen, was ist mit Ihrem Speiseteil
?"
Patient beeilt
sich, läuft schneller und sagt: "Mein Mund ist in
Ordnung, glaube ich, danke !"
Der Heiler macht
noch einen weiteren Vorschlag, aber der Patient ist bereits
außerhalb des Hallradius und kann ihn somit nicht mehr
deutlich genug hören ...
Der Heiler kehrt
zu seinem Pult zurück und schreibt die Rechnung und wenn er nicht
wieder Tonaufnahmen macht, dann heilt er noch heute.
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von dem Zeugs)
J.S.
September 2003 - Stand Juli 2005 |