In nahezu
allen Aufnahmesystemen, vor allem bei Computern+Soundkarte tritt eine
Zeitverzögerung beim Durchlauf der Signale auf, die als sog. Latenz
bezeichnet wird. Einerseits kommt diese durch einen eventuellen
Hardwaremixer in der Soundkarte (so vorhanden) zustande, welche aber
wirklich vernachlässigbar ist, da sie (hoffentlich) weit unterhalb eines
samples liegt und damit als Echtzeit gelten kann und muss. Weiter gibt es
eine Latenz durch die Softwareverzögerung, wenn der Treiber der Karte auf
Systemebene mischt oder Signale weiterleitet (also an die Karte
zurückschickt). Das hängt dann schon ein wenig vom Rechner, gfs
IO-Strukturen und in wenigen Fällen sogar dem Chipsatz ab. Da kommen gern
einige Millisekunden zusammen, die tontechnisch durchaus relevant sind.
Wenn zwei als gleichzeitig eingestufte Signale recht und links aus dem
Lautsprecher kommen, so hängen die, welche 2ms Nachteil haben komplett
außen. Signale zwischen 2ms und etwa 30ms wirken raumgrößenbestimmend
und darüber hört man Echos.
Signale die mehr als ein Sample verzögert sind, liegen also nicht mehr in
derselben Zeitebene wie ein analog durchgeschliffenes und können/dürfen
nicht oft mehr zusammengemischt werden. Dies ist wichtig bei gemischten
Setups: Beispiel : Der Computer sendet WAVs aus einem Software-Sampler und
gleichzeitig tönen "draußen" noch Expander oder Synthies am
gleichen MIDI-Strom mit und alles läuft in ein Analogpult. Hier gibt es
oft Aufnahme-Wiedergabeprobleme, die nicht immer durch die
Aufnahmesoftware korrigiert werden können, z.B. durch Vor- oder
Nachkompensation der Latenz der Soundkarte (also rechnerisch exaktem
"Verrücken" der neuen Spur.) Bei der gleichzeitigen
Aufnahme/Widergabe von Wavelab z.B., habe ich z.B. so einen minimalen
Versatz drin. Die Spur muss dann von Hand zurechtgeschoben werden. Dazu
verwende ich hochfequente initiale Cliks. Wenn man eine reine Gesangsspur
auf einen Track aufmischt, würde das nicht viel machen und man könnte es
lassen, aber bei Instrumentspuren oder gar Hallspuren ist das fatal. Auf
dieser Ebene lässt sich das aber hörtechnisch noch alles noch als
quasi-Echtzeit einstufen, d.h. man kann einen Track hören, dazu spielen
und aufnehmen. Alles unter 20-30ms ist gut rehearse- und spielbar - vom
Klang wie gesagt abgesehen.
Nun kommt zu allem Überfluss aber noch die Verzögerung durch das
Betriebssystem hinzu: Das können locker mehrere hundert Millisekunden
sein. Eine Audiosoftware, die "oben" durchschleifen will, kriegt
das nicht mehr hin: In Wavelab kann man z.B. den Audioeingang abhören.
Vergleich man dies mit dem "echten" Signal aus dem latenzarmen
Digitalpult oder dem latenzfreien Analogpult, so hört man einen echten
Zeitversatz. Das ist mehr als ei kurzes Echo. Mit so einem System kann man
nicht mehr sinnvoll aufnehmen! Es ist daher zu bevorzugen, nur in einer
Richtung abzuspielen, die Vorgabespuren durch ein Analogpult oder ein
schnelles Digitalpult zu schieben und so dem Musiker bei dessen Aufnahme
zuzuspielen. Der Musiker hört sich so bei der Aufnahme im Analogpult und
NICHT durch den abgehörten, verzögerten Audioeingang. So ist die
Software zwar auch mehrer hundert ms "hinterher"- es schadet
aber nichts. Nur der Aufnehmende im Nachbarraum könnte diesen
verzögerten Mix mithören, allerdings empfiehlt es sich auch hier, die
Soundkarte so einzustellen, dass sie am Ausgang den Eingang direkt
wiedergibt. Das läuft dann wie bereits dargestellt, in hardware 100%ig
synchron oder in der Treibersoftware 99%ig synchron.
Messen kann man die Latenz, indem man einen wiedergebenden Track wieder
aufnimmt- einmal durch die Karte und einmal durch ein Analogpult- am
besten mit linkem und rechten Kanal getrennt, sodass die
Aufnahmeverzögerung und die Wiedergabeverzögerung getrennt zu betrachten
sind. Der eine Kanal enthielte dann gegenüber dem anderen nur die
Wiedergabeverzögerung. Die Aufnahmeverzögerung müssten man mit einem
getrennten System messen. Z.B. mit einem Kassettenrecorder, der Analogout
eines Pultes und den Soundkarten-out jeweils auf links und rechts
aufnimmt. Beim späteren Einlesen beider Spuren kann man im Waveeditor
nachzählen, wie viel es war.
Bringen kann das aber herzlich wenig: Die meisten Audioprogramme können
die Latenz messen und das Korrigierbare auch exakt richtig korrigieren-
nur das Grundproblem der Aufnahmeverzögerung bleibt und ist auch nicht zu
lösen. Man darf sich hier nicht von den Herstellern täuschen lassen:
Alles was über Software läuft, bringt unzulässige Latenz, auch wenn es
angeblich nur 2-4ms sind. Windows haut schon ein Vielfaches drauf - keine
Sorge.
Für den Unkundigen ist es wohl am Besten, mal mit dem Verschieben von
identischen Tracks herumzuprobieren um einen Eindruck zu bekommen, wie
sich Verzögerungen auswirken. Wie gesagt: Beginnend bei Null, hat man die
doppelte Lautstärke, mit steigendem Versatz wird es "flanging"
(Kammfilter) dann entsteht Räumlichkeit und irgendwann hörbares Echo.
Hier gibt
es noch weitere Infos
zur Homerecordingtechnik und der Funktion
von Soundkarten
J.S. Stand
Juli 2004 |